Simon - vom angepassten Lehrer zum rebellischen Aktivisten
tibits Geschichten
Simon - vom angepassten Lehrer zum rebellischen Aktivisten
25.1.2020

Diese Woche stellen wir euch Simon vor – Musiklehrer, Aktivist und überzeugter Veganer. Er erzählt uns in seinem Veganuary Portrait, wie etwas aus einer spontanen Challenge heraus begann und zu einer wegweisenden Überzeugung wurde.

Simon ist wie die meisten von uns mit Fleisch und anderen tierischen Produkten aufgewachsen, ohne dies während der Kindheit je zu hinterfragen. Obwohl seine Schwester bereits mit 11 Jahren beschloss, sich nur noch vegetarisch zu ernähren, fühlte er sich selbst nie dazu inspiriert, seine Essgewohnheiten zu ändern oder seinem Lieblingsgericht Poulet abzuschwören. Nicht zuletzt auch, weil es in der damaligen Zeit ziemlich uncool gewesen wäre.

Die Jahre vergingen und Simon absolvierte erfolgreich die Pädagogische Hochschule in Bern mit Vertiefung Musik im Master und entschloss sich nach seinen ersten Schnuppererfahrungen an einer Bezirksschule in Aarau, Musiklehrer zu werden. Nach Basel zog es ihn schliesslich, weil ihm die Stadt so gut gefiel.
Eines Tages fragte ihn seine ehemalige Freundin völlig unerwartet, ob sie nicht gemeinsam während einer Woche vegan leben wollen. Simon, der stets offen für Neues ist und sich auch gerne mal auf eine Challenge einlässt, sagte spontan zu – ohne damals überhaupt zu wissen, was vegan genau bedeutet. Obwohl er erst aus reiner Neugier mitmachte, schaffte er die Woche problemlos. Eine komplette Umstellung ging ihm dann aber doch ein wenig zu schnell, weshalb er sich erstmal ein Jahr vegetarisch ernährte. Nach einer weiteren veganen Woche gab es aber – bis heute – kein Zurück mehr für ihn.

Schritt um Schritt zur pflanzlichen Ernährung

Bereits während seines vegetarischen Jahres fing er an, sich mit ethischen und ökologischen Gründen für Veganismus auseinanderzusetzen. Nachdem er den aufwühlenden Film «Cowspiracy» gesehen hatte – den er übrigens allen wärmstens ans Herz legen möchte –, wollte er mehr wissen und grub tiefer. Wie kann es sein, dass all das geschieht und alle schauen weg, fragte er sich. Zusätzlich erfuhr er per Zufall, dass ein guter Freund seit Jahren vegan lebte, ohne dass er es bemerkt hätte. Und anders als die meisten in ihrem Umfeld empfand er dessen Entscheidung nicht als extrem, sondern schlicht als konsequent. Dies und weitere Nachforschungen zum Thema führten zum Entschluss, künftig auf tierische Produkte zu verzichten. Freunden gegenüber witzelte er manchmal, dass er den Wechsel aus purer Solidarität für den belächelten Bekannten vollzog – ein bisschen Rebellentum schadet schliesslich nicht. Die Rückmeldungen waren grösstenteils positiv, ein sanftes Grundinteresse, wie er es nennt, war vorhanden. Dennoch gingen auch Freundschaften zu Bruch, einerseits weil das Verständnis und die Akzeptanz fehlten, andererseits auch weil es schwerfällt, sich ständig unhaltbare Argumente und blöde Sprüche anhören zu müssen. Dies benennt Simon auch deutlich als Hauptproblem vieler Neu-Veganer: Die Frage, wie tolerant man gegenüber der Ignoranz im eigenen Umfeld sein kann, wenn man erst die Wahrheit kennt. Man möchte Augen öffnen, wo niemand sehen will.

Auch wenn er am Anfang noch einiges vermisst hatte, merkte er schnell, dass es sich dabei vor allem um Gewohnheiten handelt. Den früher geliebten Käse konnte er etwa gegen einen würzigen Nussmix austauschen, um das Verlangen seines Körpers nach Salz und Fett zu stillen. Die Umstellung läutete aber auch eine regelrechte Renaissance des Kochens für ihn ein: Er entdeckte neue Gemüse- und Früchtesorten, lernte viel über Ernährung und probiert bis heute begeistert Neues aus. Was ebenfalls einsetzte, waren erste gesundheitliche Veränderungen. Er merkte schnell, dass er trotz weniger Schlaf mehr Energie hatte als früher, dass er also leistungsfähiger und belastbarer wurde. Hier merkt er aber an, dass er seine Ernährung auch bei gegenteiliger Wirkung nicht mehr ändern würde. Nach seinem Empfinden fügt der heutige Konsum von tierischen Lebensmitteln nicht nur den Tieren selbst, sondern auch der Bevölkerung in Drittweltländern sowie unserer Umwelt erheblichen Schaden und Leid zu, weshalb es für ihn absolut verkraftbar erscheinen würde, Kompromisse einzugehen. 

Der Drang aufzuklären

Simon, der bis heute hauptberuflich als Musiklehrer tätig ist, kann deshalb nicht anders: Er engagiert sich in seiner Freizeit bei zahlreichen Projekten, initiiert Petitionen oder schaltet neue informative Videos auf seinem Youtube-Channel. Früher schrieb er auch regelmässig in seinem Blog, doch dies hat er reduziert, da die heutige Gesellschaft empfänglicher sei für Videos als für Texte. Auf die Frage, warum es ihm so wichtig erscheine, die Bevölkerung – insbesondere die Jugendlichen und jungen Erwachsenen – aufzuklären, verweist er augenzwinkernd auf seinen Beruf: Ein Lehrer kann eben nicht aus seiner Haut. Auch wenn die Bemerkung nicht ganz ernst gemeint ist, stellt er klar, dass er das Gefühl habe, es sei nicht mit seinem eigenen Wandel getan. Anders als bei der Wahl der Haarfarbe sei die Entscheidung, ob man nun Fleisch esse oder lieber nicht, keine rein persönliche, da sie Konsequenzen für uns alle beinhalte. Dennoch möchte Simon nicht missionieren oder Menschen herabsetzen, die noch nicht so weit sind, oder sich bisher noch nicht mit einer Alternative auseinandergesetzt haben. Ihm scheint es besonders wichtig zu sein, dass Menschen ihre Ernährungswahl aufgeklärt treffen.
Ein ganz besonderes Augenmerk legt er dabei auch auf das Miteinander. Er setzt viel daran, dass Gleichgesinnte nicht ausbrennen bei all dem freiwilligen Engagement und den nur schrittweisen Erfolgen. Durch Veranstaltungen und Aktionen versucht er deshalb den Zusammenhalt unter Gleichgesinnten zu stärken. Unter anderem organisiert er einmal im Monat das «Basel Vegan Dinner», um gemeinsam Restaurants mit pflanzlichen Optionen zu besuchen und testen – und natürlich auch um Freundschaften zu pflegen und Neulingen den Einstieg zu vereinfachen. Gerade diese Art Aktivismus findet Simon sinnvoll, da sie den Genuss statt des Verzichts in den Vordergrund stelle. Zu diesem Zweck wirkt er auch bei einer Webseite mit, die Interessierten und Veganern helfen soll, ein passendes Restaurant zu finden. Um aber auch die übrige Gesellschaft zu erreichen, geht Simon gemeinsam bei einem «Cube of Truth» auf die Strasse und klärt die Bevölkerung direkt vor Ort auf – etwa durch reale Aufnahmen aus der Massentierhaltung. Neben Betroffenheit und Zustimmung begegnet er dabei auch immer wieder negativen Reaktionen. Er hat jedoch gelernt, dass gerade auch aus ‘blöden Sprüchen’ spannende Diskussionen entstehen können, man müsse auch diese Meinungen anhören und den Menschen interessiert und fragend begegnen, statt sie zu bevormunden oder einen sinnlosen Streit anzufangen.
Dass sich sein motivierter, aber auch zeitintensiver Einsatz lohnt, merkt er nicht nur an den positiven Feedbacks aus der veganen Gemeinschaft, sondern auch aufgrund von Rückmeldungen verschollener Bekannter und Freunde von früher, die heute aktiv seine Posts verfolgen. Denn auch aus solchen kleinen Erfolgen schöpft er Energie.
Simon glaubt fest daran, dass die Zukunft pflanzlich sein muss – auch wenn dazu wohl noch einige Generationenwechsel nötig sein werden. Er selbst wird sich aber auch weiterhin dafür einsetzen, möglichst viele Menschen aufzuklären und ihnen die Konsequenzen aufzuzeigen, die uns erwarten, wenn wir so weitermachen wie bisher. Jetzt habe er noch die Kraft und die Ausdauer, später werde er sich vielleicht etwas mehr zurücklehnen können, meint er. Eins weiss er aber sicher: Die Hoffnung, dass wir eines Tages ganz selbstverständlich auf tierische Produkte verzichten, weil wir keinem anderen Lebewesen schaden wollen, lässt ihn nie mehr los.

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